Geschichte der Jestetter Fasnacht

Fasnacht in Jestetten – Vom Elferrat zum Narrenverein

Die einzelnen närrischen Veranstaltungen gingen vor dem 1. Weltkrieg noch auf Privatinitiativen zurück, weshalb es hierzu keine Aufzeichnungen gibt. Ältere Einwohner meinten jedoch: „D’Jeschdetter Fasnacht hät’s scho immer gä“. Im Heimatbuch von Dr. Jäger (1930) steht lediglich „Vor etwa 40 Jahren ist von einem Schuhmacher aus Konstanz der Hemdglonkerumzug hier eingeführt worden“.
Folglich gab es somit den Hämglunggiumzug bereits vor 1900 in Jestetten. Andere Fasnachtsbräuche wie „Chähholz vokaufe“ oder „Birkebese vokaufe“ sind völlig in Vergessenheit geraten. Auch ist es nicht mehr Sitte, dass vor der Fasnacht „jede Bueb ä Düfelschappe im Sack gha hät“.

Schon kurz nach dem 1. Weltkrieg wurde von älteren Narren der Wunsch geäußert, die Fasnacht wieder ins Leben zu rufen. Diese Bestrebungen scheiterten jedoch zunächst an der laufenden Geldentwertung, sowie auch am Desinteresse der Bevölkerung. 1925 belebte sich das Fasnachtsgeschehen dann auf Privatinitiative hin und es wurde das Narrenschiff „Schmuggliania“ erbaut, dem 1926 ein „Zeppelin“ folgte.

In den folgenden Jahren ergaben sich personelle Probleme bei der Besetzung des zu gründenden Elferrates. Am 08.01.1928 wurde dann jedoch der erste Elferrat gegründet. 1929 hatte die Jestetter Fasnacht dann den 1. Prinzen, welcher als Gott Bachus regierte. Der vom Elferrat im selben Jahr organisierte 1. Umzug hatte das Motto „Alte Amtsstadt Jestetten als Weinproduzent einst und jetzt“. 1930 folgte das Motto „Die 12 Monate im frohen Bild“. Aufgrund der Notlage wurden 1931 dann jedoch schon wieder sämtliche Straßenveranstaltungen vom Innenministerium verboten. In den beiden darauffolgenden Jahren fiel die Fasnacht dann der hohen Arbeitslosigkeit zum Opfer. 1934 erlebte die Fasnacht durch neue Kräfte wieder einen kleinen Aufschwung und es folgte 1936 wieder ein vom Elferrat organisierter Umzug unter dem Motto „Die Welt im Stromlinienfimmel“. Ebenfalls wurde in diesem Jahr auch wieder der lange vermisste Hämbglunggiumzug eingeführt. Am 02.01.1937 erfolgte wiederum die Auflösung des Elferrats. Aufgrund des Kriegs war in den darauffolgenden Jahren jedoch auch nicht an Fasnacht zu denken.

1950 erfolgte die Wiedergründung des Elferrats unter Präsident Karl Auf der Maur. Die folgenden 50er Jahre waren dann geprägt durch farbenfrohe Umzüge. 1965 feierte der bereits Elferrat das 25-jährige Bestehen. Die Auflösung in der Zeit zwischen 1937 und 1949 wurde nicht mit eingerechnet.
Von 1951 an regierten in Jestetten an Fasnacht neben dem Elferrat auch ein jährlich wechselndes Prinzenpaar. Insgesamt hatte die Fasnacht in Jestetten 18 Prinzenpaare. Spektakuläre Höhepunkte waren jeweils die farbenprächtigen Umzüge vom Fasnachtssonntag. Weitere Meilensteine in Verbindung mit dem Elferrat sind das 1. Mehlsuppenessen im Gasthaus Salmen (1955), die Gründung der Sprützchantemusigg (1955), wie auch die Gründung der Düfelsgilde (1963). Im Jahre 1968 erfolgte dann wiederum die Auflösung des Elferrats.
Die Präsidenten des Elferrates waren:
Karl Auf der Maur (1928 – 1937 und 1950 – 1952); Leo Straub (1962 – 1966 und 1967 – 1968); Josef Dorer (1966 – 1967).
Folgende Vereine stellten nach 1950 den Elferrat:
Musikverein, Sängerbund, Turnverein, Sportverein, Kolpingfamilie, Rotes Kreuz, Verein für Hundefreunde.
Die Tatsache, dass einzelne Vereine eine Person in den Elferrat delegieren mussten (die oft keine Fasnachtsnarren waren), war sicherlich mit einer der Gründe, welche zur Einstellung der Tätigkeit des Elferrats führten.

Düfel und Rebwieber zusammen mit den Hombergnarren Anfang der 70er Jahre

Der Gedanke, einen Narrenverein zu gründen, entstand nicht erst im Herbst 1968 als bekannt war, dass sich der Elferrat auflösen würde. Erste Ansätze reichen schon in das Jahr 1966 zurück, als es unter dem damaligen Mehlsuppenchasper Otto Heiz darum ging, das Mehlsuppenessen neu zu gestalten. Am 11.11.1968 fand eine erste Versammlung im Gasthaus Hirschen statt, bei welcher Vertreter der Hombergnarren, der Düfelsgilde, der Sprützchantenmusigg, verschiedenen Vereinsvorständen und Weitere interessierte Narren aus der Bevölkerung anwesend waren. Die damalige Aussprache führte zum Ergebnis, einen Narrenverein zu gründen. Die Durchführung der Gründungsversammlung erfolgte dann bereits schon am 29.11.1968, die Verabschiedung der Satzung des Vereins dann am 12.1.1969.

Der junge Verein hatte es anfangs nicht unbedingt leicht. Der Elferrat hatte in vielen Jahren Zeichen in Sachen Fasnachtsgestaltung gesetzt und es galt nun, die alten Traditionen mit neuen Ideen zu verknüpfen. So brachte die erste vom NVJ gestaltete Fasnacht keine wesentlichen Änderungen, neu war lediglich der erstmals durchgeführte Narrenmarkt.
In den folgenden Jahren setzte der Verein jedoch neue Ideen in die Tat um. Was die Fasnacht anbelangt, wurde ein Düfelsball (2. Faisten), sowie der Rebwieber- und Trubehüeterball (11.11.) eingeführt. 1981 wurde am Fasnachtssonntag erstmals ein Eulenball mit Maskenprämierung veranstaltet. Diese Bälle haben sich im Laufe der Zeit jedoch geändert. Der Düfelsball am 2. Faisten wurde auf den 11.11. verlegt und ersetzte den Rebwieber- und Trubehüeterball. Nachdem der SV Jestetten seinen bis dahin belegten Fasnachtsball am Samstag nicht mehr ausgerichtet hat, findet an diesem Tag der Preismaskenball des NVJ statt. Dieser ersetzte fortan den Eulenball.

2. Faiste 1980

Großen Anklang findet jedes Jahr die Entmachtung von Bürgermeister und Gemeinderat am schmutzige Dunschdig. Überhaupt ist der schmutzige Dunschdig der närrische Tag schlechthin. Er beginnt nach wie vor mit Wecken durch die Chatzemusik wie auch der Guggemusik Rettestej am frühen Morgen und setzt sich fort mit dem Besuch der Kindergärten sowie der Räumung der Schulen. Das frühere Stellen der Düfelsgabel vor dem Hämglunggiumzug auf dem Schulhofplatz wurde auf den Vormittag vor der Rathausräumung verlegt. Pünktlich um 11:11 Uhr wird vor dem Rathaus die Vereingabel gestellt, die zwischenzeitlich um die Masken der Rebwieber und Üüle ergänzt wurde. Zum festen Bestandteil des schmutzige Dunschdig gehören nach wie vor der Besuch im Kreisalten- und Pflegeheim am Nachmittag, wie auch der Hämglunggiumzug. Der Lundschenball am Abend in der Gemeindehalle hat sich zwischenzeitlich zur Beizenfasnacht in die Kirchstraße verlagert.

Schmutzige Dunschdig 1975, damals noch mit der Düfelsmusik.

Auch das Mehlsuppenessen, einer der Höhepunkt der Jestetter Fasnacht in einer bis auf den letzten Platz besetzten Gemeindehalle, wurde vom Narrenverein neu gestaltet.
Die Fasnachtsverbrennung wurde von früher Mitternacht auf die Abendstunden vorverlegt, damit auch Familien mit Kindern die Teilnahme möglich ist.
Die Verbrennung selbst zog vom Platz vor der alten Feuerwehrremise zwischenzeitlich auf die Vreneleswiese hinter dem Rathaus.

Auch die Narrenzeitung, von Elmar Abend zu neuem Leben erweckt, ist durch rührige Arbeit vieler Idealisten aus der Jestetter Fasnacht nicht mehr wegzudenken. Unter dem Jahr kann der Narrenverein für sich in Anspruch nehmen, auf Initiative des 1. Obernarren Ernst (Goli) Holzscheiter den Altennachmittag ins Leben gerufen zu haben. Das alljährliche Sommerfest bei der Narrenhütte in der Au wird aufgrund der gestiegenen Mitgliederzahlen mittlerweile innerhalb der jeweiligen Gruppen separat ausgerichtet. Der Geselligkeit tut dies jedoch keinen Abbruch.

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben soll, dass der NVJ Gründungsmitglied der Im Jahr 1979 gegründeten Narrenvereinigung Kleggau ist und seit über 25 Jahren den Säckelmeister Charly Hail stellt, sowie über 20 Jahren den Präsidenten Rainer Denzel stellte.
Der NVJ zählt heute rund 70 Mitglieder. Als Aktive werden gerechnet die Düfel (35 Mitglieder), die Rebwieber (20 Mitglieder), sowie die Üüle (20 Mitglieder).
Ergänzt werden diese seit 2002 durch eine Jugendgruppe, welche rund 15 Kinder und Jugendliche zählt.

Wichtig für die Narretei in Jestetten ist ohne Zweifel die 1986 von Markus Steger gegründete Guggemusik „Rettestej“. Sie zählt heute rund 3 Dutzend Mitglieder und pflegt in all den Jahren des Bestehens eine intensive Beziehung zum Narrenverein. So begleitet die Guggemusik den NVJ zu den Treffen der Narrenvereinigung Kleggau, besucht und unterstützt praktisch alle Veranstaltungen des NVJ, hilft bei der Straßendekoration mit und ist am Schnmutzige Dunschdig aus dem närrischen Dorfgeschehen nicht mehr wegzudenken.

„Regiert“ wird der Narrenverein von einem 14-köpfigen Vorstand. Obernarren seit Bestehen waren bzw. sind: Ernst (Goli) Holzscheiter 1968-1969); Dieter Sigg (1969-1979); Rainer Denzel (1979-1988); Bruno Steger (1988-2000); Charly Hail (2000-2003) Udo Holzscheiter (2003-2008); Markus Kettner (2008 2019); Erol Kücükogul (seit 2019).

Ehrenmitglieder des Narrenvereins: Siegfried Fricker +; Otto Heiz +, Elmar Abend +, Dieter Sigg +, Karl Büchel +, Rainer Denzel + und Bruno Steger (Ehrenobernarren), Klaus Reinicke, Helmut Ricken, Wolfgang Hoffmann, Egon Huber, Bruno Auf der Maur und Marlies Weißenberger.

Quellennachweis: Jestetter Dorfchronik 1981, Elmar Abend: Geschichte des Elferrates S.40 ff

Jestetter Dorfchronik 1981, Rainer Denzel: Narrenverein Jestetten 1968 e.V., S. 44 ff.